Unterwasserarchäologie
3D Scan eines versunkenen Schiffs im Bodensee
Im bis zu 251 Meter tiefen Bodensee finden sich hunderte Überreste von Wasserfahrzeugen oder anderen Wracks wie Flugzeugen, bei denen es sich in vielen Fällen um Bodendenkmale bzw. Technikdenkmale handelt oder handeln kann. Die Ursachen für den Untergang der Schiffe waren vielfältig und sind im Einzelnen bislang kaum geklärt: Unwetter, Brände, Strandungen, Kollisionen, Überladung und Überalterung des Fahrzeugs sowie kriegerische Auseinandersetzungen oder gezielte Selbstversenkung. Bei den meisten Schiffsfunden ist zudem der Denkmalpflege der aktuelle Zustand nicht bekannt.
Um dieses spannende Gebiet der Unterwasserarchäologie genauer zu beleuchten gibt es Spezialisten wie Dr. Florian Huber, der sich als Unterwasserarchäologe einen Namen gemacht hat. Wir durften ihm im letzten Jahr bei einem Projekt über die Schulter schauen und bei der Berechnung mit Metashape helfen. Heute möchte ich etwas detaillierter darüber berichten. Wenn Ihr mehr Interesse an der Thematik habt, schreibt uns einfach und wir können eventuell gemeinsam ein Fach-Webinar organisieren oder ihr schaut mal bei Dr. Hubers Unterwasser-Workshops vorbei.
Herausforderungen der (Unterwasser-)Archäologie bei 3D Scans
Herausforderungen der Archäologie bei 3D Scans
Im Gegensatz zu den üblichen 3D Scans die wir so bearbeiten sind archäologische Projekte immer eine besondere Herausforderung. Das spannende ist, dass es
- häufig sehr begrenzte Ausgrabungszeiten gibt
- die gefundenen Objekte nicht einfach mitgenommen werden dürfen
- häufig arbeiten mehrere, unterschiedlichen und internationalen Teams an der gleichen Ausgrabungsstätte
- Fundstücke sind daher auch oft auch in der ganzen Welt verteilt
Das Ziel einer jeder archäologischen Aufarbeitung ist es, alles möglichst sorgfältig zu dokumentieren und zu archivieren, sowie für die weitere Forschung zu rekonstruieren.
Herausforderungen des 3D Scans unter Wasser
Bei der Unterwasserarchäologie kommt bei dem Punkt „begrenzte Ausgrabungszeit“ noch hinzu, dass
- ein Tauchgang sehr anstrengend,
- logistisch herausfordernd
- sehr kostenintensiv
- und zeitlich noch enger limitiert ist, da natürlich irgendwann die Luft ausgeht.
- Obendrein sind die Lichtverhältnisse immer schlechter als an der Oberfläche
- Und die Verschmutzung und Schwebeteilchen kaum planbar
Es gibt also zahlreiche Fehlerquellen, die man umgehen muss.
Die Bedeutung von Photogrammetrie in der (Unterwasser)-Archäologie
All diese Herausforderungen sprechen dafür, dass das „3D Scanning“ vor Ort mit möglichst einfachen Mitteln immer mehr Bedeutung in der Archäologie findet. Da nicht überall bspw. teure Laserscan-Systeme für 3D Scans genutzt werden können, oder geeignet sind, sind für Archäologen die SfM-Modelle (Structure from Motion) der Photogrammetrie mittlerweile sehr wichtig. So kann bspw. in kurzer Zeit ein ganzes Schiff visualisiert werden. Das hilft
- zum Einen bei der rein fachlichen Dokumentation, der nachträglichen Vermessung,
Nachbearbeitung und Rekonstruktion, - zum Anderen kann der Öffentlichkeit gezeigt werden, welche historischen Schätze
in unseren Seen, Flüssen und Meeren liegen.
Um ein SfM-Modell zu errechnen braucht es nur eine (DSLR)-Kamera oder Videokamera und diese sind ohnehin immer vor Ort. Umso wichtiger ist es also zu verstehen, was man photogrammetrisch daraus machen kann und wie man diese Technik effizient nutzt. Hier helfen wir gern mit Soft- und Hardware, aber natürlich auch mit Beratung weiter.
Ausflug in die Grundlagen der Photogrammetrie
In aller Kürze:
Bei den Grundlagen der Photogrammetrie geht es darum, wenn ein Punkt eines Objektes
- aus mindestens 3 verschiedenen Winkeln
- eindeutig erkennbar ist
Dann kann man diesen im 3-dimensionalen Raum anordnen. Und tausende solcher Punkte, ergeben eine Punktwolke, welche dann in ein 3D Model umgewandelt werden kann.
Wir brauchen also möglichst scharfe Fotos!
Bei unbeweglichen, handlichen Objekten ist es daher relativ einfach diese zu erfassen. Man stellt das Licht, die Beleuchtungszeit und Blende so ein, dass durchweg ein scharfes Bild entsteht und bewegt sich so um das Objekt. Das funktioniert solange die Objekte geeignete Materialeigenschaften mit sich bringen, um eindeutig erkennbar zu sein. (bspw. Transparente, spiegelnde oder sehr dünne Objekte entsprechen nicht diesen Voraussetzungen)
Insgesamt ergeben sich verschiedene Fehlerquellen bei der Photogrammetrie, die man immer vorab bedenken sollte:
- ungeeignete Material/Objekteigenschaften
- ungeeignete Umgebung
- schlechte Aufnahmen/Technik
- zu wenig Bilder
Gerade bei sehr wenig Zeit, gilt es also vorab genau zu überlegen und Planungen zu tätigen, um die Aufnahmesituation zu optimieren und schwierigen Bedingungen zu begegnen.
Wenn du mehr über die Grundlagen der Photogrammetrie, die Herausforderungen und verschiedene Lösungstechniken erfahren wollt, dann empfehle ich dir unser Videotraining zu den Grundlagen der Photogrammetrie und Metashape. Hier lernst du das grundlegende Verständnis was jeden 3D Scan verbessern wird!
Vorüberlegungen zur Unterwasseraufnahme für den 3D Scan
Soviel zur Theorie, bei Unterwasseraufnahmen gibt es aber die beschriebenen Probleme und damit andere Lösungsansätze.
- Das Objekt bewegt sich zwar nicht, aber ggf. das Wasser und damit Schwebeteilchen im Bild
- Zudem kommt bei unserem Beispiel in 32m Tiefe kaum natürliches Licht zum Objekt
- die eigene Lichtquelle verläuft sich auch schnell im Hintergrund
- Man kann also nur einen gewissen Nahbereich scharf aufnehmen und benötig deutlich mehr Bilder und Überlappungen
- Zudem gibt es das beschriebene Zeitproblem, um genügend Fotos in hoher Qualität zu produzieren.
- Auch die Blitzlichter würden bereits nach kurzer Zeit ausfallen, was mehrere Tauchgänge und damit Kosten erfordern würde.
Um den geschilderten Herausforderungen der Unterwasserarchäologie zu begegnen ist damit die klare Empfehlung der Einsatz einer hochwertigen Videokamera bei dem Tauchgang.
Betrachten wir nun die potentiellen Fehlerquellen im einzelnen:
Materialeigenschafen des Objekts – Das Schiffswrack
Das zu scannende Wrack liegt in 32m Tiefe im Bodensee. Es ist etwa 15 Meter lang und maximal 4,72 m breit. Nach der 3D Berechnung in Metashape kann es problemlos und in aller Ruhe vermessen werden, da vor Ort Referenz-Maßstäbe ausgelegt wurden. Es besteht komplett aus Holz, hatte Steinkohle geladen und dürfte sehr wahrscheinlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Große Teile des Wracks sind mit feinem Sediment bedeckt und mit Quaggamuscheln bewachsen. Da das Wrack in einem super Zustand ist, kann man es aufgrund von Schiffsform, Maßen und anderen signifikanten Merkmalen eindeutig als Segner (Bodensee-Lastensegler) ausweisen. Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, findest du hier die genauen Schiffsdetails.